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Lachen • ein Überraschungskünstler

  • Autorenbild: R. W.
    R. W.
  • 26. Mai
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Juni


Lachen ist eine körperliche Kapitulation, ein kulturelles Kraftwerk und ein sozialer Klebstoff.


Was genau passiert wenn wir lachen?


Lachen ist ein Phänomen der Überraschung. Es ist oft dort, wo kein Anlass dazu scheint, und bleibt aus, wenn wir es erwarten.



Ein Missverständnis, ein Stolperer, ein Gedanke, der sich selbst widerspricht. All das kann eine Kettenreaktion auslösen, an deren Ende der Körper sich schüttelt und das Gesicht entgleist.


Was beim Lachen im Körper geschieht


Ein echter Lachanfall gleicht einer Implosion. Über 300 Muskeln werden aktiviert, die Atmung beschleunigt sich, das Gehirn schüttet Endorphine aus. Diese körpereigenen Opiate wirken entspannend, schmerzlindernd und stimmungsaufhellend. Wer lacht, beruhigt das Stresssystem, senkt den Cortisolspiegel und stärkt das Immunsystem. Es ist angenehm, oft ansteckend und befreiend.


Lachen als anthropologische Unverschämtheit


Warum lachen Menschen, und warum oft gerade dann, wenn es nicht angebracht scheint? Lachen entzieht sich der Logik. Es kommt plötzlich, manchmal ungewollt, und ist meistens die sympathischste Form des Kontrollverlusts.

Friedrich Nietzsche schrieb: „Vielleicht weiß ich am besten, warum der Mensch allein lacht: Er allein leidet so tief, dass er das Lachen erfinden musste.“


Lachen ist eine Reaktion auf das Absurde, das Groteske, auf Schmerz, Erleichterung oder Nähe. Es ist ein evolutionärer Trick, der tiefer geht als jede Pointe.


Warum wir lachen und wann


Die meisten Menschen lachen nicht über Witze, sondern über Situationen. Oft geschieht das Lachen in Gesellschaft. Der amerikanische Gelotologe Robert Provine zeigte, dass wir bis zu 30-mal häufiger in Gruppen lachen als allein. Lachen ist ein soziales Signal, ein stilles Einverständnis. Es sagt: Ich bin freundlich. Ich gehöre dazu. Du bist sicher bei mir.

Schon Babys lachen, bevor sie sprechen können. Ein glucksendes Lachen an die Bezugsperson dient als Einladung zur Nähe. Erwachsene tun es ebenfalls, wenn auch subtiler. Sie lachen über ironische Bemerkungen, bei kleinen Missgeschicken oder zur Erleichterung in unangenehmen Momenten. Lachen hilft, Beziehungen herzustellen und Unsicherheiten zu überbrücken.


Lachen in der Psychotherapie


In therapeutischen Kontexten ist Lachen ambivalent. Es kann sowohl entlasten als auch verdecken. Freud unterschied zwischen dem Witz als Ventil unbewusster Triebe und dem Humor als reifer psychischer Leistung.

Viktor Frankl bezeichnete Humor als „Waffe der Seele im Kampf um die Selbsterhaltung“. In Extremsituationen konnte das Lachen als Form der Selbstdistanzierung zum Überlebensmittel werden. Frankl wusste, wovon er sprach, denn er hatte die Hölle auf Erden überlebt. Die Hölle hatte Namen: Theresienstadt, Auschwitz, Dachau.


Wer lacht mit wem und warum nicht


Lachen folgt sozialen Hierarchien. Studien zeigen: Frauen lachen häufiger, Männer erklären häufiger Witze. Es scheint, dass Frauen Männer attraktiver finden, die sie zum Lachen bringen, während Männer sich zu Frauen hingezogen fühlen, die über ihre Witze lachen.


Das Lachen, das weh tut


Wer ausgelacht wird, erfährt soziale Ausgrenzung. Es ist das sogenannte „exkludierende Lachen“ und wurde vom Soziologen Klaus Theweleit analysiert. Es kann verletzen, ausgrenzen, entmenschlichen. Das ist das Lachen, das sich über andere erhebt, nicht mit ihnen fühlt. Dieses Lachen ist nicht verspielt, sondern strategisch und eine soziale Geste der Dominanz.

In Mobbingstrukturen wird das Lachen zur Waffe, zur subtilen Form psychologischer Gewalt. Besonders Jugendliche entwickeln daraufhin eine Angst vor dem Ausgelachtwerden, die sogenannte Gelotophobie.


Humor sollte immer inklusiv sein. Er lacht mit dem Anderen und nicht über ihn.


Lachen, das krankt


Es gibt auch pathologische Formen des Lachens, etwa bei bestimmten Epilepsien oder nach Hirnschädigungen. Umgekehrt fürchten manche Menschen das Lachen anderer so sehr, dass sie soziale Situationen meiden. Auch das ist eine ernstzunehmende psychische Belastung.


Aber selbst in seiner verzerrten, schmerzhaften Form zeigt das Lachen: Es ist immer auch eine Reaktion, ein Ausdruck von Leben.


Körper, Kultur & Kontrolle


Lachen ist eine körperliche Handlung mit kultureller Geschichte. In der christlich-abendländischen Tradition galt es lange als moralisch zweifelhaft: zu laut, zu sinnlich, zu unkontrollierbar. Frauen wurde das Lachen regelrecht abtrainiert, als wäre es ein Ausdruck unbotmäßiger Freiheit.


In anderen Kulturen gilt Lachen hingegen als Ausdruck von Erleuchtung. Die Erkenntnis der Absurdität kann heiter stimmen, nicht deprimieren. Das paradoxe Lachen eines Meisters ist kein Spott, sondern kann das Echo eines kosmischen Missverständnisses sein.


Nicht nur Menschen scheinen zu lachen


Auch Tiere zeigen lachartige Verhaltensweisen. Ratten geben bei Spiel oder Kitzeln hochfrequente Laute von sich. Schimpansen keuchen beim Raufen. Lachen scheint ein evolutionäres Signal zu sein, das möglicherweise vermitteln soll: Ich bin ungefährlich. Es geht um Spiel, nicht um Kampf.


Wie man Lachen kultiviert


  • Lachen lässt sich nicht erzwingen, aber man kann es einladen.

  • Umgeben Sie sich mit Menschen, die Sie zum Lachen bringen.

  • Lachen Sie über sich selbst. Das ist keine Schwäche.



Lachen ist kein bloßes Reagieren. Es ist ein Ausdruck geistiger Beweglichkeit und eine würdige Antwort auf das Absurde im Leben, was auch völlig bekloppt sein darf.


Worüber haben Sie letztens herzlich gelacht? Schreiben Sie es als Kommentar und teilen Sie es mit uns damit wir alle mehr zu lachen haben.



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