Fragmente über das Menschsein • zweiter Teil
- R. W.

- 7. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 5 Tagen

Gewohnheit: Der (un)heimliche Autopilot
Wenn man ehrlich ist, funktioniert der Mensch manchmal wie ein Toaster: Einschalten, warten, Ergebnis. Nur laufen unsere „Programme” oft unbewusst ab. Verhaltenstherapeuten sprechen vom Loop: Auslöser (Trigger) – Verhalten – Belohnung. Das Handy vibriert? Sie greifen danach. Dopamin. Glück. Wiederholung. Wer das ändern will, muss nicht heroisch, sondern systematisch sein: Trigger erkennen, Routinen umbauen, Belohnungen neu definieren. Wer morgens beispielsweise gleich den Kaffee durch ein Glas Wasser ersetzt, ist übrigens schon auf einem guten Weg zur Erleuchtung.
Die Macht der Worte als inneres Werkzeug
Wenn Sie das, was Sie fühlen, zu Papier bringen, passiert Magisches: Ihre Gedanken ordnen sich und Ihre Emotionen verlieren ihr Chaos. James Pennebaker, ein Pionier auf diesem Gebiet, hat dies in zahlreichen Studien belegt. Wer regelmäßig seine tiefsten Gefühle niederschreibt, heilt schneller, lebt gesünder und ist resistenter gegen Stress. Es ist, als ob Worte innere Fenster öffnen. Vor allem, wenn man Dinge formuliert, die man vorher nur gespürt, aber nie benannt hat. Schreiben ist nicht nur etwas für Tagebuch-Teenager. Es ist eine neurobiologische Maßnahme gegen den ganz normalen Wahnsinn.
Alte Lösungen für neue Konflikte?
Was uns heute in Beziehungen blockiert z. B. emotionale Distanz, nervige Kontrolle, nagendes Misstrauen, waren einst Überlebensstrategien. Als Kind war Rückzug vielleicht der einzige Schutz vor Schmerz. Kontrolle gab uns ein Gefühl von Sicherheit im Chaos.
Diese Verhaltensmuster waren klug. Damals. Heute verhindern sie Nähe, Vertrauen und echtes Erleben. Sie sind nicht falsch, nur eben - veraltet.
Werden Sie hellhörig, wenn eine gute, vertrauensvolle Freundin Ihnen sagt: „Du verhältst dich wie ein Kind.“ Fragen Sie einfach: „Warum?“ Die Antwort darauf könnte interessant und wichtig für Sie sein.
Verletzlichkeit: Die Superkraft hinter echter Nähe
In Diskussionen sagen wir oft, was wir denken, aber nicht, was wir fühlen. Das Problem: Gedanken trennen, Gefühle verbinden. Wer statt „Du bist ein “!%?%!!!“ sagt: „Ich bin enttäuscht“, öffnet Türen. Emotionale Ehrlichkeit ist riskant, aber auch der schnellste Weg zu echter Nähe. In der emotionsfokussierten Therapie geht es darum, hinter Schutzemotionen wie Wut auf die primären Gefühle zu schauen. Angst, Scham und Traurigkeit. Dort liegt der Schatz. Und manchmal braucht es nur einen ehrlichen Satz, um einen jahrelangen Streit zu beenden.
Die Architektur der inneren Welt und die self fulfilling prophecy
Unsere Gedanken formen nicht nur unsere Wirklichkeit, sondern auch unsere Beziehungen, Entscheidungen und Selbstwahrnehmung. Wer glaubt, nichts zu sagen zu haben, wird oft überhört. Wer annimmt, unerwünscht zu sein, verhält sich unnahbar und erhält so genau die Abweisung, die er nämlich befürchtet - die berühmte selbsterfüllende Prophezeiung. Dieser Kreislauf lässt sich durchbrechen. Nicht durch Zwangsoptimismus, sondern durch bewusste innere Umbauten. In der kognitiven Verhaltenstherapie nennt man das Überprüfen und Neuformen dysfunktionaler Überzeugungen. Oder einfacher ausgedrückt: Man lernt, sich selbst weniger im Weg zu stehen.
Ein Plädoyer für den ersten Schritt
Man muss nicht alle diese Gedanken sofort in die Tat umsetzen. Es genügt, sich ihnen zuzuwenden. Vielleicht beginnen Sie heute mit einem Spaziergang ohne Ziel, schreiben einen Satz auf oder führen ein Gespräch, in dem Sie etwas sagen, das Ihnen wichtig ist.
Psychische Entwicklung verläuft selten linear. Sie ist eher ein Kreislauf aus Versuch, Irrtum, Einsicht und Neubeginn, Versuch, Irrtum, Einsicht Neubeginn, Versuch, Irrtum, Einsicht Neubeginn, Versuch, Irrtum, Einsicht Neubeginn, Versuch, Irrtum, Einsicht Neubeginn Versuch, Irrtum, Einsicht Neubeginn.
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